Im Wintersemester 2018 kam ein Student meines Seminars Design Thinking and Human Values auf die Idee, sich mit dem Thema intersexuelle Menschen zu beschäftigen. Das sind Menschen, die mit männlichen und weiblichen Genitalien geboren werden. Viele von ihnen leiden unter einer Operation, die in ihrer frühen Kindheit durchfgeührt wird, um ihr Geschlecht zu korrigieren. Das Schicksal dieser Kinder ist den Studierenden unter die Haut gegangen. Das hat sie intrinsisch motiviert, am 29. November 2018 die erste Intersex Awareness Veranstaltung an der HTW Berlin, Hochschule für Technik und Wirtschaft, zu organisieren und durchzuführen, um zukünftiges Leid für Betroffene abzuwenden. Die Studierenen haben in nur 32 Stunden ein Konzept für das Intersex Awareness Event entwickelt und die Veranstaltung in diesem Zeitraum auch durchgeführt.
Als Dozentin schätze ich es, mit Student*innen an einer Herausforderung zu arbeiten, die sie selbst eingebracht haben und die sie motiviert, sehr hart an einer Vision zu arbeiten, die in absehbarer Zeit Wirklichkeit werden soll. Auf diese Weise bilden die Studierenden ein smartrs Team von verantwortungsbewussten Innovator*innen, die versuchen, die Gesellschaft zum Besseren zu verändern.
Aus diesem Grund haben sie ihre Vision auf einem Plakat kommuniziert:
"Spread it out - Sprechen Sie darüber" ist ein Ansatz von Tim Brown, dem ich als Dozentin und Coach für Design Thinking and Human Values folge. Daraus folgt für mich: Sprechen Sie darüber, was den Menschen oder dem Planeten schadet, und entwerfen Sie eine Vision für eine neue und bessere Zukunft. Nach diesem Ansatz definierten die Studierenden ein Ziel für die Veranstaltung:
"Unser Ziel ist es, auf das Thema Intersexualität aufmerksam zu machen und darüber zu informieren. Wir hoffen auf ein größeres Verständnis für das Thema Intersexualität und einen respektvollen Umgang miteinander."
Kevin Klaus
Auf diese Weise wurde "Interaktion" zum Schlüsselwort für ihre Veranstaltung zur Sensibilisierung für das Thema "Intersexualität". Während der Veranstaltung konnten die Gäste in dem dunklen, schwarz gestrichenen Raum, der nur von Scheinwerfern erhellt wurde, umhergehen und mit verschiedenen Exponaten interagieren. Dies schuf fast eine Clubatmosphäre.
Die Studierenden beschlossen, dass die Gäste der Veranstaltung mit ihrem Körper, ihrer Seele und ihrem Geist berührt werden sollten, um Intersexualität aus allen Perspektiven zu verstehen. Nur auf diese ganzheitliche Weise ist ein tiefes Verständnis und eine Reflexion über Intersexualität und Geschlecht möglich.
Aus diesem Grund fanden die Gäste in dem Raum Räume für Körper, Geist und Seele. An der Bar konnten sie heißen Glühwein und frisches Popcorn genießen, im Shop waren sie eingeladen, die Kleidung mit Zitaten von intersexuellen Menschen in die Hand zu nehmen. In der Anprobebox konnten sie geschlechtsspezifische Kleidung anprobieren und in den binären Boxen, die mit klassischem Spielzeug für Jungen oder Mädchen gefüllt waren, konnten sie nachsehen, ob dieses noch passt. In der Chill-Out-Area konnten sie auf den Sitzsäcken Platz nehmen, um sich auszuruhen oder die WDR-Doku "Das dritte Geschlecht" und andere Videos über Intersex anzuschauen.
Plakate informierten die Gäste über verschiedene Aspekte von Intersex und Gender:
Siehe die von Kevin Klaus entworfenenPoster
Während des gesamten Seminars habe ich die Studierenden durch die sechs Schritte des Design Thinking Prozesses geführt. Hier finden Sie eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse des Prozesses.
Die Gestaltungsaufgabe, der sich die Studierenden stellen wollten, lautete: Wie könnten wir eine Veranstaltung zum Thema Intersexualität gestalten?
Um konkrete Handlungsfelder zu finden und die Gestaltungsaufgabe zu lösen, entwickelten die Studierenden eine Reihe von Fragen, die es zu beantworten galt:
Mit diesen Fragen im Hinterkopf schufen sie Ausstellungsstücke, die das Ziel verfolgten, den Besucher mit seinem Geist, seinem Körper und/oder seiner Seelezu berühren .
Die Student*innen nutzten Kleidung als Medium, um Botschaften von intersexuellen Menschen und ihren Familien zu transportieren, denn Kleidung - unsere zweite Haut - ist uns und unserer Identität sehr nahe. Sie brachten Zitate von diesen Menschen auf den Kleidern an.
Die Veranstaltung wurde ein großer Erfolg. Viele Besucher *innen kamen und blieben mehr als eine Stunde, um mit den Objekten zu interagieren, sich die Videos anzusehen und sich in Gruppen zu unterhalten oder den Studierenden Feedback zu geben.
Für mich als Dozentin war es erstaunlich zu sehen, was möglich ist, wenn Studierende intrinsisch motiviert sind und die Möglichkeit haben, ein Gefühl der Selbstwirksamkeit zu entwickeln. Sie kommen in einen Flow. Das ist das Beste, was in einem Design Thinking Prozess passieren kann. Die Menschen verlieren ihre Angst zu versagen. Ich danke meinen Schülern, ein Teil dieser Geschichte gewesen zu sein.
Aus meiner Sicht ist es wichtig, Menschen eine Plattform zu geben, um über Intersex und Gender zu sprechen. Es ist höchste Zeit, mehr Menschen für dieses Thema zu interessieren, denn es ist nicht nur ein kurzfristiger Trend. Die Rollen verändern sich - Strategien, Produkte und Dienstleistungen werden folgen und in Zukunft anders sein.